Das Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz ist in Kraft getreten

In Zeiten der Digitalisierung wird die virtuelle Zusammenarbeit immer wichtiger. Dies gilt auch für Gesellschafterversammlungen von Unternehmen und Vereinen, bei denen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Hierfür bestanden seit der COVID-19 Pandemie entsprechende befristete Erleichterungsregelungen für die virtuelle Durchführung bisher nur physisch erlaubter Versammlungen. Diese wurden nun mit Inkrafttreten des Virtuellen Gesellschafterversammlungen-Gesetzes (VirtGesG) am 14.07.2023 dauerhaft gesetzlich verankert.

Das VirtGesG ermöglicht es Unternehmen und Vereinen, ihre Versammlungen online und damit flexibler, effizienter, umweltfreundlicher und kostengünstiger als physische Versammlungen, abzuhalten. Es entfallen z.B. der zeitliche und finanzielle Aufwand für Reisen, Unterkunft und Organisation, was auch den ökologischen Fußabdruck senkt. Zudem eröffnet dies die Möglichkeit, dass Gesellschafter:innen auch von entfernten Standorten aus teilnehmen können.

Das Gesetz legt fest, dass Unternehmen, die virtuelle Gesellschafterversammlungen abhalten möchten, die Möglichkeit der Teilnahme und Abstimmung der Gesellschafter:innen über elektronische Kommunikationsmittel gewährleisten müssen. Die virtuelle Teilnahme muss dabei so nahe wie möglich an eine physische kommen, um transparente und demokratische Entscheidungsfindungen zu gewährleisten. Insofern sind zusätzlich die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Versammlungsvorschriften zu beachten und entsprechend anzuwenden.

Die virtuelle Abhaltung von Versammlungen bleibt auch ohne entsprechende Satzungsregelung durch ausdrückliche oder konkludente Einverständniserklärung aller Teilnehmenden möglich (Ausnahme: börsennotierte Aktiengesellschaften, s. III.). Um eventuellen Streitigkeiten vorzubeugen und Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird eine entsprechende schriftliche Regelung allerdings in den meisten Fällen empfohlen und bei Uneinigkeit zwischen Gesellschafter:innen als notwendig erachtet.

Während die Regelungen für die meisten Gesellschaftsformen recht allgemein gehalten sind, finden sich für börsennotierte Aktiengesellschaften zum Teil sehr detaillierte Regelungen und Verpflichtungen über Form und Durchführung virtueller/hybrider Hauptversammlungen, um der regelmäßig verstreuten Aktionärsstruktur Rechnung zu tragen und einen entsprechenden Schutz zu gewährleisten.

Neben den formalen Voraussetzungen sind auch praktische Umsetzungsherausforderungen zu beachten, wie zum Beispiel die technische Ausstattung und Kompetenz der Teilnehmenden oder der Schutz von Privatsphäre und Vertraulichkeit der Informationen.

Nachfolgend findet sich eine Übersicht des neuen Gesetzes im Detail:

 

I. Anwendungsbereich

Das VirtGesG findet Anwendung auf Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, kleine Versicherungsvereine und Sparkassen („Gesellschaften“, § 1 Abs. 1).

Je nach Gesellschaftsform gelten Aktionär:innen oder Vereinsmitglieder als „Gesellschafter:innen“, auch sonstige teilnahmeberechtigte oder -verpflichtete Personen werden erfasst („Teilnehmende“).

 

II. (Virtuelle) Möglichkeiten der Gesellschafterversammlung

Zusätzlich zu den wie bisher vorgesehenen physischen Gesellschafterversammlungen werden nun drei virtuelle Arten der Gesellschafterversammlungen normiert:

1. Einfache virtuelle Versammlung, §§ 2, 1 Abs. 2

Eine akustische und optische Zweiwegverbindung in Echtzeit, die Wortmeldungen, Abstimmungsteilnahmen und Widerspruchsmöglichkeiten bietet, muss gewährleistet sein. Eine rein telefonische/akustische Teilnahme reicht insofern nicht aus.

2. Moderierte virtuelle Versammlung, §§ 3, 1 Abs. 3

Im Unterschied zur einfachen virtuellen Sammlung hat die Versammlung hier eine:n moderierende:n Leiter:in. Bei Worterteilung ist Gesellschafter:innen eine Redemöglichkeit zu geben. Ansonsten gelten die Regelungen der einfachen virtuellen Versammlung entsprechend.

3. Hybride Versammlungen, §§ 4, 1 Abs. 4

Den Teilnehmenden wird die Wahl zwischen physischer und virtueller Versammlungsteilnahme gewährt, wobei die virtuelle Teilnahme einfach oder moderiert (s.o.) erfolgen kann. Eine gleichwertige Behandlung physischer und virtueller Teilnahme ist zu gewährleisten.

 

III. Besonderheiten für Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften

Für die Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften gelten die oben notierten Grundsätze, sowie zusätzlich die folgenden Pflichten gegenüber den Teilnehmenden:

  • Spätestens am 21. Tag vor der Versammlung sind die Voraussetzungen der virtuellen Teilnahme mitzuteilen, sofern nicht bereits in der Einberufung enthalten (§ 5 Abs. 2).
  • Ermöglichung der Einbringung von Fragen und Beschlussanträgen im Vorlauf der Versammlung auf elektronischem Wege (§ 5 Abs. 3).
  • Stellung mindestens zweier unabhängiger Stimmrechtsvertreter:innen (§ 5 Abs. 4).

Darüber hinaus können die Möglichkeiten eingeräumt werden, die Hauptversammlungen öffentlich zu übertragen und Aktionär:innenstimmen schon vor der Hauptversammlung auf elektronischem Wege abzugeben.

Bei virtueller Durchführung der Hauptversammlung können Aktionär:innen, die zusammen mindestens 5 % der Anteile halten, die Durchführung der nächsten Hauptversammlung in rein physischer oder hybrider Form verlangen. Somit könnte alle zwei Jahre eine zumindest hybride Hauptversammlung erzwungen werden.

Satzungen über die virtuelle/hybride Durchführung der Versammlungen können für längstens 5 Jahre befristet sein. Danach kommt eine Verlängerung, oder aber eine Neuregelung, in Betracht.

 

IV. Sonstige Regelungen

Für alle Arten der Versammlungen nach dem VirtGesG gelten die folgenden allgemeinen Grundsätze:

  • Die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für Teilnahme sind in der Einberufung im Voraus anzugeben.
  • Die Gesellschaft hat die Identität der Teilnehmenden bei Zweifeln an dieser zu prüfen.
  • Die Gesellschaft verantwortet den Einsatz technischer Kommunikationsmittel, soweit diese ihrer Sphäre zuzurechnen sind. Insofern steht es den Teilnehmenden selbst zu, auf ihrer Seite für die notwendigen technischen Voraussetzungen und deren Funktionalität zu sorgen.